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Wir weigern und, Feinde zu sein

Vortrag zum Konflikt Israel-Palästina begeisterte mehr als 100 Besucher

Peine. Unter dem Titel „Wir weigern uns, Feinde zu sein“ beleuchtete Referent Rainer Stuhlmann die Historie des Konfliktes zwischen Israel und Palästina. Stuhlmann ist evangelischer Pfarrer im Ruhestand aus Köln. Er war in den Jahren 2011 bis 2016 Studienleiter im internationalen Dorf Nes Ammim in Israel. 2019 hat er für ein Jahr den Propst in Jerusalem vertreten. Stuhlmann hat mehrere Bücher zum Thema verfasst.

Aus aktuellem Anlass hatten das Peiner Bündnis für Toleranz und der christlich-muslimische Gesprächskreis den Experten ins Gemeindehaus der Friedenskirche eingeladen. Mit seinem Vortrag sorgte der 78jährige für Begeisterung unter den mehr als 100 Besuchern.

„Ich bin kein Nahostexperte, weiß aber viel über die Menschen vor Ort. Der Ausspruch „Wir weigern uns, Feinde zu sein“ stammt von der palästinensisch-christlichen Familie Nassar und drückt aus, was viele Menschen vor Ort empfinden. Er steht für Geduld und Ruhe, den Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben“, erklärte der Referent.

Er selbst habe im Dorf Nes Ammim, das Europäer in den 1960er Jahren errichtet haben, erlebt, wie ein Zusammenleben funktionieren kann, wenn Christen, Juden und Muslime sich austauschen, kennenlernen und vor allem erfahren, wie viele Gemeinsamkeiten im Glauben sie eigentlich haben.

„In Nes Ammim treffen jüdische Kinder, die sich nicht in arabische Dörfer trauen, auf palästinensische Kinder und umgekehrt. Es gibt eine große Vielfalt an Kulturen und Religionen in Israel und Palästina und im Dorf lernen Abrahams oder Ibrahims Kinder miteinander, wie man eine Zukunft friedlich gestalten kann“, sagte Stuhlmann.

Es gebe zudem unzählige Initiativen wie zum Beispiel die „Combatants of Peace“, die in Schulen, aber auch mit öffentlichem Protest dafür eintreten, dass der Konflikt, der 76 Jahre nach der Staatsgründung Israels heftiger tobt, als jemals zuvor, endlich beigelegt wird. Einmal im Jahr laden sie alle Menschen ein, der Opfer auf beiden Seiten zu gedenken.

„Das führt dazu, dass die Menschen, die am Gedenken teilnehmen, nicht mehr denken: Mir gegenüber sitzt der Mörder meines Kindes, sondern: dort sitzen Eltern, die genauso trauern, wie ich. Wohl alle waren nach dem 7. Oktober und dem Angriff der Hamas zu Tode erschrocken. In ihren Bemühungen zur Aussöhnung ließen sie aber nicht nach. Unter dem Motto „Jetzt erst recht!“ werden die Friedensinitiativen fortgesetzt“, weiß der Experte zu berichten.

Bedenklich sei, dass die Forderung der Palästinenser nach einer Rückkehr in die Gebiete, aus denen sie vertrieben wurden, oft falsch verstanden würden, insbesondere im Ausland. Viele Palästinenser wollten mitnichten die neuen Bewohner vertreiben, sondern einfach eine Entschädigung und einen Ort, an dem sie friedlich leben könnten.

„Natürlich gibt es auch die Stimmen, die ein Palästina „from the river to the sea“, also vom Fluss Jordan bis zum Meer fordern. Das würde bedeuten, dass Israel von der Landkarte verschwindet. In Israel hingegen gibt es ebenfalls Meinungen in Richtung: das ist alles unser Land und Palästina verschwindet von der Landkarte. Dabei gäbe es genug Platz für acht Millionen Juden und acht Millionen Palästinenser. Es geht aber eben nur friedlich und gemeinsam“, schloss Stuhlmann und wurde mit reichlich Applaus belohnt.